Neue High-End-Lösung zum Härten von Klebstoff

Moderne Klebstoff-Technologie hält Einzug, wo bislang geschweißt wurde. High-End-Temperiersysteme spielen hierbei eine tragende Rolle, wie der Einsatz eines innovativen Mehrsegment-Heizspiegels beim robotergestützten Verkleben großer Karosserieteile aus CFK im Karosseriebau veranschaulicht.

Der Trend scheint unumkehrbar. Wo im Fahrzeugbau noch in jüngster Vergangenheit metallische Bleche miteinander verschweißt wurden, bestimmt inzwischen das 2K-Kleben von Formteilen aus Faserverbund-Kunststoffen das Geschehen. Mit welchen Innovationssprüngen die Entwicklung hier voranschreitet, dokumentiert ein aktuelles Projekt von Thyssenkrupp Automotive Body Solutions: Die Realisierung einer vollautomatisierten, robotergestützten Montageanlage zum kontinuierlichen Hochpräzisionskleben der inneren und äußeren CFK-Formteile von Fahrzeugtüren. Dass das Vorhaben trotz seiner Komplexität nach knapp einjähriger Laufzeit nun bereits vor dem Transfer in die Serienproduktion eines namhaften Sportwagen-Herstellers steht, ist nicht zuletzt das Ergebnis einer gelungenen Projektkoordination.

Eine zentrale Rolle übernahm hierbei der deutsche Thermodynamik-Spezialist Hotset. Denn in enger Abstimmung mit den Ingenieuren von Thyssenkrupp fertigte das Lüdenscheider Unternehmen eines der  funktionellen Herzstücke der neuen Fertigungszelle: Ein serienreifes Temperiersystem, das beide Türhälften schnell, genau, zuverlässig und gleichzeitig nur an jenen Randflächen auf bis zu 90° C erhitzt, auf denen sich die zuvor applizierten Klebstoffraupen befinden, so dass ebendiese während des Pressens schnellstmöglich aushärten – und sich schon nach wenigen Minuten an die nächsten Bearbeitungsstufen weiterführen lassen.

Ein Spiegel mit 17 Segmenten

„Die technologische Messlatte lag bei diesem Projekt von Beginn an sehr hoch. Zudem bedingte der innovative Charakter des Vorhabens eine gewisse Flexibilität, da sich in dessen Verlauf häufig neue Fragen auftaten“, erinnert sich Andreas Filler, seit vielen Jahren Projektmanager bei Hotset. Die unter seiner Verantwortung realisierte Lösung ist allerdings ein verfahrenstechnisches Highlight moderner Temperiertechnik und könnte wegweisend für die weitere Etablierung des CFK-Klebens in anderen Branchen sein. Es handelt sich dabei um ein System aus zwei großen Heizrahmen, deren Geometrien und Dimensionen dem Design der Fahrzeugtüren (1.290 x 636 mm) folgen. „Während aber solche Rahmen – im Fachjargon auch Heizspiegel genannt – bislang meist aus einem Stück gefertigt wurden, sahen die konstruktiven Vorgaben von Thyssenkrupp in diesem Fall vor, dass das neue Temperiersystem aus insgesamt 17 fest miteinander verbundenen Heizsegmenten besteht, deren Auflageflächen konturgenau den verschiedenen Topologien der zu verklebenden Türbereiche angepasst sind“, erklärt Andreas Filler.

In seiner Formgebung ist daher jedes dieser Segmente ein dreidimensionales Unikat, mit hoher Genauigkeit gefräst aus einer speziellen Aluminiumlegierung, veredelt mit feingeschlichteten Kontaktflächen und ausgestattet mit einer Innenarchitektur aus Heizelementen. Da jedes Segment zudem über mehrere, einzeln ansteuerbare Regelzonen verfügt, lässt sich die Heizenergie des kompletten Temperiersystems über insgesamt 19 Regelzonen zielgenau, effizient und bedarfsgerecht bereitstellen. Patrick Hofsommer, Project Manager von Thyssenkrupp Automotive Body Solutions, erläutert, was das in der Praxis bedeutet: „Aufgrund seiner einzigartigen Regeltechnik und den passgenauen Segmenten mit ihren perfekt aufliegenden Kontaktflächen ist der neue Heizspiegel eine echte Innovation. Sie garantiert eine optimale, hochgradig gleichmäßige und gleichzeitig auch flexible Temperaturführung zu allen Klebenähten der beiden Türhälften. In der hochpräzisen Ausführung von Hotset leistet sie einen entscheidenden Beitrag zur Prozesseffizienz unserer neuen CFK-Klebeanlage.“

Minutenschnell ausgehärtet

Als temperiertechnische Leistungskomponenten agieren zwei solcher Mehrsegment-Heizspiegel als integrierte Bestandteile der neuen Montagezelle von Thyssenkrupp. Funktionell sind sie eingebunden in das komplexe handhabungstechnische und steuerungstechnische Geschehen der 11 x 9 Meter großen Anlage, die in einem getakteten und synchronisierten Wechselspiel von fünf Robotern vier CFK-Formteile zu zwei Fahrzeugtüren – eine linke und eine rechte – verklebt. Aus bereitgestellten Ladungsträgern wird jeweils eine Tür-Innenschale (Inner assy) entnommen und in die untere Aufnahme einer Spannvorrichtung, in der sich auch der untere Rahmen des Heizspiegels befindet, eingelegt. Kurz darauf erfolgt die Applikation der Kleberraupen aus einem Zwei-Komponenten-Klebstoff auf die definierten Randzonen. Wenn unmittelbar anschließend die Tür-Außenschale (Outer panel) und der obere Rahmen des Heizspiegels aufgesetzt und eingespannt sind, fährt das Temperiersystem hoch und erhitzt von beiden Seiten – also durch die CFK-Halbschalen hindurch – die Klebstoffraupen gleichmäßig auf bis zu 90° C. Die Aushärtung des Klebers ist dann nach etwa 4,5 Minuten abgeschlossen. Insgesamt beträgt die Prozesstaktzeit elf Minuten für je zwei Fahrzeugtüren. Beide CFK-Türhälften inklusive Kleberraupe sind zwischen 6,0 und 7,0 mm dick.

Temperaturkompensierte Konstruktion

Als Projektpartner in die Entwicklung der neuen CFK-Klebeanlage von Thyssenkrupp eingebunden, begleitete Hotset das Vorhaben über mehrere Monate, und stellte sein innovatives Temperiersystem schließlich als Komplettlösung bereit. Das bedeutet konkret: Der Anlagenbauer erhielt mehrere maßgeschneiderte, einsatzfertige Heizspiegel inklusive Isoliertechnik, Sensortechnik und dezentraler Regeltechnik zur Integration in seine handhabungs- und steuerungstechnische (Siemens S7/ CAN-Bus) Infrastruktur. Dass hierbei allerlei besondere Aspekte zu berücksichtigen waren, liegt auf der Hand. Dazu gehörte es beispielsweise, dass das Engineering des Temperiersystems wiederholt den verschiedenen Iterationsstufen des Projekts anzupassen war und dass die Konstruktion des Heizspiegels und seiner Segmente unter der Vorgabe der Temperaturkompensation zu erfolgen hatte. „In solchen Fällen müssen alle entscheidenden Komponenten einige Prozentpunkte kleiner konstruiert und gefertigt werden, weil sich das System im praktischen Einsatz durch den Temperureinfluss ja ausdehnt“, erläutert Andreas Filler. Weitere wichtige Anforderungen waren unter anderem, dass der gesamte Heizspiegel definierte Gewichtsgrenzen einhalten musste, da die Roboter der Montageanlage maximal 300 kg heben und positionieren können, und dass Silikon als Werkstoff für die Verklebung von Beginn an ausgeschlossen war.

Wegweisende Systemlösung

Einmal mehr konnte Hotset im Rahmen der Realisierung des neuen Heizspiegels für die CFK-Klebeanlage von Thyssenkrupp seine Leistungsfähigkeit als kompetenter Engineering- und Systempartner unter Beweis stellen. Und wie üblich bei Projekten dieser Komplexität und Größenordnung, hat das Lüdenscheider Unternehmen damit auch sein praktisch nutzbares Knowhow auf dem Gebiet der produktionsintegrierten Temperiersysteme für den industriellen Anlagenbau erheblich ausgebaut.

Andreas Filler betont in diesem Zusammenhang insbesondere, dass „der neue Heizspiegel mit seinem Segment-Design und den daraus resultierenden Vorteilen für die Regelgenauigkeit und die konturgenaue Hitzeführung eine neue Generation von Hochpräzisions-Heizelementen für den Einsatz in der modernen Klebetechnik verkörpert.“ Gut denkbar also, dass diese zunächst für die Sportwagen-Industrie entwickelte High-End-Lösung auch zukunftsweisende Impulse für die weitere Etablierung des 2K-Klebens von CFK-Blechen in vielen anderen Bereichen des serienorientierten Leichtbaus geben kann. Die Thermodynamik-Spezialisten von Hotset haben dabei unter anderem zahlreiche Anwendungen in der Elektromobilität im Blick. (OM-08/22)

Autor

Michael Stöcker, Freier Fachjournalist, Darmstadt

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Über Hotset GmbH

Die Hotset GmbH mit Hauptsitz in Lüdenscheid zählt international zu den führenden Herstellern von industriellen Heizelementen, Temperatursensoren und Temperaturregeltechnik. Das Unternehmen wurde 1973 gegründet und beschäftigt heute insgesamt 350 Mitarbeiter an sechs Standorten. Das Leistungsspektrum von Hotset erstreckt sich von der Entwicklung über die Produktion bis zum After-Sales-Service. Neben der Fertigung zahlreicher Standard- und Serienprodukte steht dabei die Realisierung intelligenter kunden- und anwendungsspezifischer System- und Sonderlösungen im Mittelpunkt.